Deutsches Larp – was ist das eigentlich?

Als vor ein paar Jahren langsam skandinavisches Gedankengut in unsere hübsche, kleine und saubere Larpwelt sickerte, da besuchten auch erste Spieler aus meinem Umfeld bewusst Spiele mit dem Label “Nordic Larp”. Seither ist der Einfluss und die Reichweite sowohl von Larp als auch von Nordic-Larp stetig gewachsen. Die Anzahl der Spieler hat ebenso zugenommen wie die Menge der angebotenen Cons. Immer wieder haben wir seither darüber geredet, was eigentlich Larp ist – und was es nicht ist. Denn Jens Scholz’ Vortrag: Larp und Social MediaDas deutsche Larp kommuniziert nicht ist nach wie vor aktuell – wenn auch aus meiner Sicht nicht mehr so akut wie vor vier Jahren.

In der Deutschschweiz haben wir im Rahmen der Contakt 2015 darüber philosophiert, was wir eigentlich machen. Und schon damals haben wir festgestellt, dass “Nordic Larp” – ob es als ” school of larp game design” oder als “movement” gesehen wird – sich auf der Suche nach einem Selbstbeschrieb gemacht hat. Die Suche dauert an, aber immerhin – es existiert eine Diskussion. Kurze Blicke auf den deutschen und den Schweizer Larpkalender machen aber deutlich: Mittlerweile können “Nordic Larp”-Spiele auch im Beschrieb von “anderem” abgetrennt werden. Aber was machen wir denn selber? Wenn man sich umhört, sind zwar einzelne Spiele immer mal wieder exakter beschrieben – aber es verbleibt eine undefinierte Restmenge (“JeKaMi”, “Feld-Wald-Wiesen-Fantasy” usw.). Was sind denn die Eigenschaften dieser, das Gross ausmachenden, Spiele? Hier ist ein Versuch, “das was wir machen” zu beschreiben.

Deutsches Larp ist auf zwei Ebenen Kampagnen-bezogen. Die zwei Ebenen sind die Mikro-Ebene, also der einzelne Spieler, und die Makro-Ebene, damit sind Spiele und Kampagnen gemeint. Die Mikroebene lässt sich am besten als Ego-Kampagne verstehen, die Makroebene als Spiele (Veranstaltungen), die aufeinander Bezug nehmen.

Ego-Kampagne: Der Zusammenhang, die Kohärenz der Geschichte, ist wichtiger als alles Andere. Deutsche Larper sind in der Lage, trotz Logikbrüchen und Charakter-Heimweh über Jahre in verschiedenen Arrangements, Hintergrund-Ländern und Kampagnen dieselben Charaktere zu bespielen. Der Umgang damit, dass sich gewisse Muster totlaufen, ist routiniert, denn den Charakter zu behalten ist wichtiger. Der Tod des Charakters wird vermieden oder stellt die Ausnahme dar. Ausrüstung, Kleider und Requisiten können für Charaktere zugelegt werden, deren Wert in die Tausende geht: Denn wird erwartet, dass dieser Charakter immer mal wieder bespielt werden wird. Jeder bespielt seine eigene Abenteuerreise, seine eigene Ego-Kampagne. Diese wird ausgebaut, passende Spiele werden für Charaktere gesucht, teils auch unpassende als Plattform für die Ego-Kampagne (miss-)braucht. Als Nickname im Internet oder als Rufname auf einem Con wird der Charaktername verwendet, und in manchem Ausdruck wird ein “ich” einfach als “natürlich IT gemeint” etikettiert. Der Charakter wird zu einem Alter Ego, manchmal mehr, manchmal weniger identisch mit dem Spieler.

Welt-Kampagne: Interessanterweise sieht deutsches Larp seine (Fantasy-)Spiele gerne als eine grosse Welt, der Kampagnen-Gedanke durchdringt die Veranstaltungen und Veranstalter. Spiele werden durchnummeriert, aber damit nicht etwa die Anzahl Durchgänge angegeben, sondern das Kapitel der Kampagne. Aufbauend auf vorangegangenen Spielen, wird eine Hintergrundwelt immer wieder benutzt, soll immer noch und wieder Anfänger-freundlich sein, aber durch Stil und Beibehalten von Details und Elementen auch Stammspieler immer wieder anziehen. In vielen Fällen existiert im Kopf der Spieler sogar ein einziges grosses Fantasy-Reich, in dem auch gerne bunt gemischt wird. Am deutlichsten sichtbar wird dies in der Optik, zwischen Kelten und Tschakos ist alles ein bisschen Fantasy (Kein Wunder wird das Exotische Standard). Ebenfalls deutliche Merkmale der Kampagne sind Verbindungen wie die Mittellande oder in der Schweiz die Cendara-Kampagne.

Was bedeutet das? Das System bietet eine Menge Vor- und Nachteile, vielleicht besser als Charakteristika zu sehen: Die Mikroebene erzeugt lange Geschichten für die Spieler. Jahrelange Freundschaften sind möglich, die Entwicklung eines Charakters und seine Neigungen können sich im Lauf der Zeit verändern und die Ausrüstung muss wesentlich länger in Gebrauch bleiben können – was ihre Qualität verbessert. An einem gespielten Wochenende auch einmal zurückhaltend auftreten ist kein Problem – die Geschichte endet ja nicht. Gleichzeitig aber finden sich nicht immer passende Spiele für einen Charakter, so dass dieser auch ab und an mässig passende Spiele besucht – und dort vielleicht als unpassend wahrgenommen wird. Arrangements, bei denen Charaktere tiefgründiges Erleben sind rar. Szenen, bei denen die Emotionen überhand nehmen – und sogar auf die Spieler durchschlagen – ergeben sich eher zufällig, wenn die für das ganze Spiel angedachte Geschichte wirklich gut zum anwesenden Charakter passt.

Die Makroebene ermöglicht wiederum richtig grosse, lange und epische Geschichten. Handlungsstränge können über Jahre gehen, mit gewissem Aufwand kann ein Veranstalter seine Stammspieler halten und erzeugt spielerische Stabilität. Ein Hintergrund kann auch sehr exotisch gestaltet werden, denn er hat Jahre Zeit, um zu wachsen und sich zu verbessern. Innerhalb der Kampagne können viele verschiedene Facetten bespielt werden, verschiedene Locations ausgenutzt und verschiedene Stile abgedeckt werden. Unter Umständen können sogar Vorgaben bei den an den Spielen zugelassenen Charakteren ganz eng gesetzt werden. Doch leider sind die Effekte nicht nur positiv. Eine lange Geschichte bedeutet auch viel Altlasten, die neueren Spielern selten gut zugänglich sind (Beispiel Mythodea, der Blog zeugt von Selbstreflektion). Auch Tikon hat ab und an Neigungen gezeigt, sehr alte Geschichten als aktuelle zu benutzten.

Dieser Kampagnen-Fokus durchzieht das Denken von Spielern und Organisatoren und erzeugt dadurch Zwänge, die als solche schlussendlich dem Spiel schaden (Beispiel: Das Dämonen-Bann-Ritual funktionierte nicht, weil es vom kanonischen Ritual abwich, dessen Existenz aber von Spielern/Charakteren gehütet wurde, die in Teil 6 aus der Kampagne ausgestiegen sind. Aus Sicht der Orga “konsequent, logisch”, aus Sicht der Bannenden: Besch… euert.)

Daraus ergeben sich für mich ein paar Konsequenzen:

  • Dokumentieren. Kampagnen brauchen Ablagen, Hinweise, Bibliotheken. Vielleicht sogar Homepages, auf denen die Spielergruppen nicht nur notiert sind, sondern mitgestalten können – Macht der Hintergrundorga geht an die Spieler.
  • Die Spielerschaft fluktiert. Entweder muss man Neuzugängen in der Kampagne besonders Hand bieten – nicht etwa, auf den “früher mal geschriebenen” Hintergrund verweisen, sondern auf das, was am Spiel tatsächlich passiert, wer anwesend ist und wer was zu sagen hat.
  • Die Spielerschaft fluktiert. Nicht jedes Spiel muss Anfänger-tauglich sein.
  • Kommunikation. Die Orga muss sich sorgen, dass ihre Spielerschaft entweder gut vernetzt wird, oder dass sie zentral arbeitet.
  • Wenn alles einen leichten Meta-Kampagnen-Ansatz beinhaltet, dann helfen einzelnen Orgas Spielstil-Beschriebe.

 

Was in dem Artikel dafür noch fehlt: Ein prägender Name. Ich bin für Vorschläge sehr offen.

Contage zählen

Im Rahmen verschiedener Diskussionen haben wir uns, auch am Stammtisch Zürich, immer wieder in Definitionen verhaspelt. Um eine vernünftige Diskussion zu führen, braucht es jedoch mindestens dasselbe Verständnis einiger Begriffe. So waren wir uns zwar einige, dass “Con”, “Larp” und “Spiel” dasselbe meinen, aber bereits ein Tavernenabend war umstritten – darf er als Con gelten? Es steht der Vorschlag, dass wir von Contagen reden. Gemeint ist damit die Anzahl Tage, die alle Spieler spielend verbringen. So ergibt sich die einfache Rechnung, dass ein Wochenend-Spiel, bei dem nur Freitags und Samstags gespielt wird, zwei Tage pro Spieler bietet. Daher sechzig Plätze vorhanden sind, bietet das Spiel 120 Contage.

Daraus ergeben sich interessante Möglichkeiten: Eine Kampagne mit drei Spielen pro Jahr kann sich aufplustern – aber sie bietet weniger, wenn die drei Spiele jeweils nur Samstagmittags (~1 Tag) für zwanzig Teilnehmer vorhanden sind. Das ergibt nur 60 “Contage”. Dagegen ist eine Conreihe, die einmal im Jahr ein Spiel über Auffahrt für 100 Leute anbietet, gewichtiger.

Ich behaupte, dass die Anzahl angebotener Tage – die von der Anzahl Orga-Teams abhängt – steigt, wenn mehr angeboten wird. Auf eine bestimmte Anzahl von erlebten Tagen steigt die Lust, selber etwas zu organisieren (und alles besser zu machen). Wenn die Larpszene wachsen will, dann können dies alle selber anpacken: Das Angebot erhöht das Angebot.

Sprache und ihr Kontext

Fantasylarp heisst nicht nur, sich zu verkleiden und in einer Jugendherbergsburg umher zu hüpfen. Nebst einigen grundlegenden Schauspielfähigkeiten kommt der Sprache eine Bedeutung zu, denn zu einem guten Teil tauschen die Charaktere darüber Informationen aus. Dabei werden gerne Begriffe und Formulierungen weggelassen oder ersetzt, die aus Sicht der Spieler nicht zum Ambiente beitragen. Andere werden stattdessen zugezogen und sollen die Atmosphäre stützen.

Eine solche marktsprech-angelehnte, leicht altmodisch angehauchte Sprache sich bewusst sein muss, dass sie das Spiel beeinflussen wird.

Sprache beeinflusst:

Hinter einem Wort steckt ein Konzept. Eine Ansammlung an Ideen, Gedanken und Informationen, die zu einem Wort gehören und die es in ein System an Bedeutungen einbinden. Dieses Konzept wird sich in einer lebendigen Sprache wie dem Deutschen auch immer wieder verändern, ebenso wie es verschobener Bedeutung bei verschiedenen Menschen unterliegt. Eine gewisse Übereinkunft erhält man, wenn man in einem Wörterbuch nachschlägt: Der Duden hilft. Beispielsweise ist ein Speer nicht dasselbe wie eine Lanze, ein Messer ist kein Dolch und ein Scherge dient keinem guten Zweck. Es gilt also, Worte zu verwenden die die gewünschte Bedeutung tragen und gleichzeitig die Atmosphäre stützen.

Weiterhin benutzen Liverollenspieler im Spiel einen Soziolekt. Damit ist eine Sprachvarietäte gemeint, die von einer bestimmten Gruppe benutzt werden und deren Worte bestimmte Bedeutungen haben. Als Beispiel: “Kurzwehr” und “Langwehr” bei Landsknechten für die Stangenwaffen und kurzen Beiwaffen. Das zieht sich aber auch ausserhalb des Spiels weiter: Ein gutes Beispiel dafür ist das Wort “Gewandung”, mit dem gewisse Szenen (Bspw. die Larper) ihre Kostüme meinen – für Künstler die im plastischen Bereich arbeiten, steckt ein anderes Konzept dahinter. Der IT genutzte “Soziolekt” zeichnet sich u.A. durch eine Abwesenheit von als störend empfundenen Worten aus, teilweise auch durch Formulierungen die sich auch grammatikalisch von der Alltagssprache abheben. Es ist also so, dass Worte und ihre Konzepte durch die Sprecher angepasst werden, gestützt durch den Wunsch die Atmosphäre zu verdichten und das Erlebnis zu erweitern.

Beides zusammen – Konzepte hinter Worten und “Soziolekt” –  führt leider manchmal zu unpassenden oder sogar falschen Strukturen, die sich wie ein Korkenzieher durch den Kopf fressen: Man weiss, was der Sprecher/Schreiber meint, merkt aber auch dass er scheitert.

Beispiele:

  • Einige (vorher) unbescholtene NSC wurde im Chronik-Text der Orga nach dem Spiel zu “Schergen des Fürsten”, womit sie mitsamt ihrer selbst auch noch den Fürsten diskreditierte. Der weitere Weg wurde somit klar: Ungeachtet dessen, wie die Charaktere agierten, das weitere Spiel wird gegen den Fürsten gehen.
  • Ein “Emporkömmling aus dem Adel” aus der Spielausschreibung, der sich am Spiel einfach als “neuer Charakter” erwiesen hat. Mit dem “Emporkömmling” hatte der Charakter nichts zu tun.
  • “Ein Schober voll Korn” hört sich richtig an, aber gemeint ist vermutlich “Ein Schober Stroh” oder “Ein Scheffel Korn”.
  • …tbc

Es geht mir weder darum, pingelig auf die Rechtschreibung zu pochen noch geht es mir darum, jemanden anzuprangern. Ich will darauf hinweisen, dass das Fantasy-Larp nur aufgrund von “Fantasy” keinen Freibrief für irgendwas bietet, sondern sich mit normalen Menschen begnügen muss. Diese wiederum müssen von der ihr bekannten Kommunikation ausgehen, mit der das Spiel beeinflusst wird – und ein bisschen schlechtes Marktsprech eben nicht ausreicht, um dem Ambiente zu genügen. Wenn die Sprache im Spiel sich ausdrücken will, so bieten sich aus meiner Sicht eher Wortlisten an – das Grosse Heer hat ein gutes Beispiel davon. Gemäss Hintergrund versucht man, Alltagswörter durch passende Wörter anzupassen. Besser als (hinter-)hofhälterisches Geschwurbel wird es allemal sein.

 

Links

Von guten und schlechten Ceriden.

In einer kurzen Diskussion im Nachbeben des Landsknechtslagers kam der belustigende Spruch auf: “Wie ihr immer zwischen guten und schlechten Ceriden unterscheidet.” Naja, das tun “wir” tatsächlich. Und zwar auf zwei Ebenen, die beide Interessantes beleuchten. Zuerst die IT-Ebene, anschliessend die OT-Ebene.

Erklärung

Im Spiel ist das Ceridentum eine gespielte Religion, “die äußerlich stark an das Christentum erinnert, um ein besonders mittelalterliches Ambiente zu fördern. Trotzdem ist es eine Fantasy-Religion mit eigener Theologie und soll auch als solche verstanden werden.”, direkt aus dem larpwiki.de zitiert. Im Kern handelt es sich um die Lehre des Eynen, der seinen Gläubigen einige Regeln abverlangt. Prominent an dieser Stelle sind die Gesetze, die das Zusammenleben zwischen Herrn und Knecht regeln und jenes, das die Magie ablehnt. Das Bespielen kann, bei einer gesunden Mischung aus moderatem und konsequenten Handlungen, durchaus Spass machen. Ich persönlich mag es, weil es an ein Liverollenspiel angepasst ist und die meisten seiner Kulthandlungen auf Platz (“auf Con”) benutzt werden können. Doch was macht einen guten Ceriden aus?

Im Spiel

Das Ceridentum hat eine oftmals gebrauchte Heiligenkultur, dazu steht im Zentrum die Verehrung des Eynen. Die Heilige decken praktisch jeden Aspekt ab. Doch für die Spieler, beziehungsweise die Charaktere, sind vor allem die Manifeste wichtig:

Augenkreuz
Augenkreuz

Das Erste Manifest über den Eynen:
Gebe Deinem Gott Keinen Namen ,
Denn Er ist der Einzige und Wahre.
Das Zweite Manifest über die Tugend:
Scheide das Gute Wohl vom Bösen,
damit Du sicher wandelst auf dem Pfad der Tugend.
Das dritte Manifest über die Hexerey:
Meide Hexerey und Zauberey ,
denn sie störet die Ordnung der Welten
und ist das Werk des Bozephalus.
Das Vierte Manifest über die Mission:
Helfe Deinem Nächsten,
den wahren Glauben zu erkennen,
damit auch er der Weisheit
des Eynen teilhaftig werde.
Das Fünfte Manifest über den Schutz:
Beschütze Deine Begünstigten,
so wie auch der Eyne Dich beschützet,
denn der Starke hat die Pflicht,
den Schwachen zu schirmen.
Das Sechste Manifest über den Gehorsam:
Gehorche Deinem Oberen,
wie Du dem Einen gehorchen mußt,
denn Er ist der Herr der Herren.
Das Siebte Manifest über den Eynen:
Erstrebe stets die Gunst des Eynen,
denn Er ist der ewige Richter
über Leben und Jenseits.

Damit kann der Charakter gut einteilen, was er tun soll, und was er wirklich meiden sollte. So zum Beispiel das Sechste Manifest: “Gehorche deinem Oberen”. Damit sind auch Taten gemeint, die nicht unbedingt einem modernen, westlichen Sozialverständis entsprechen: Meint der Herr zu seinem Knecht, dass dieser jemanden erschlagen soll, so ist eine Verweigerung der Anweisung nicht einfach eine Ablehnung einer aus seiner Sicht falschen Anweisung, sondern schadet direkt dem Nachleben des Knechtes. Denn hier kommen wir zu einem weiteren Punkt: Die Taten eines Ceriden werden über sein Leben hinweg gesammelt und am Ende, nach seinem Ableben, steht der Ceride vor Cadorus, dem Richter. Dieser hat eine Waage, auf der er die guten gegen die schlechten Taten aufwiegt. “Gut” sei, was den Manifesten entspricht, “schlecht” was ihnen widerspricht. Hebt sich die Schale mit guten Taten, dann wird dem Ceriden ein Blick auf die Himmlischen Auen gewährt, und er kann in einem höheren Stand wiedergeboren werden. Brave Knechte werden zu Rittern. Oder noch spannender: Folgsame Knechte eines ceridisch schlechten Ritters sind gute Ceriden. Überwiegen die schlechten Taten, so wird der Ceride in einem niedereren Stand wiedergeboren. Taten können allesamt nur aufgewogen, aber nicht vergeben werden, der Ceride geht “zur Wägung”, welche ohne ein “Wägegeheimnis” auskommt. Ihm wird nicht vergeben, sondern der Priester hilft ihm, gute Taten zu vollbringen, durch Ratschläge-Anweisungen. Damit gelingt nahtlos die Überleitung….

Ausserhalb des Spieles
Oben zitiere ich “äußerlich stark an das Christentum erinnert”. Da steckt eines der Hauptprobleme des Ceridentums, hinter diesem einen Hinweis. Denn es erinnert wirklich an das Christentum. Und so meinen immer wieder Spieler, sie können mithilfe eines oberflächlichen Ceridenanstrichs ihrer historisch inspirierten Klamotte einen letzten Schliff geben. Leider ist dem nicht so, und man trifft immer wieder auf schlechte Ceriden, die munter christliche Konzepte wie “Beichte”, “Vergebung” oder auch “Taufe” mit vermischen. Dem entgegen stehen meistens bereits Konzepte, die sich in der Spielwelt attraktiver gestalten und die besser genutzt werden können. Lasst also das kreuz und quer vermischen. Die Grundregeln des ceridischen Zusammenlebens werden einem Charakter während seiner, wo auch immer stattfindenden Sozialisation, beigebracht. Ein schlecht informierter Ceride ist einfach unplausibel, denn der Reiz dieser Religion ist das “Spiel mit Anderen”, vor allem auch mit Nicht-Ceriden. Also Vorsicht mit dem unreflektierten Übernehmen von christlichen Ideen und werten.

Zum Schluss
Ich selber spiele gerne Ceride und mag es, die Manifeste zu nutzen um meinen Charakter in ein Dilemma zu bringen. Ich glaube auch, dass das Konzept erst richtig aufblüht, wenn man an seine Ecken und Kanten stösst und wenn Spieler auch im Spiel Nachteile in Kauf nehmen, um ihrer Religion treu zu sein. Ich mag es, mir Outtime Unbekannte zu Grüssen; “Er weilet unter uns”, um mich dann an der Entgegenung “Zu allen Zeiten” zu erfreuen. Es bietet mir eine gemeinsame Grundlage zum Spiel mit Anderen. Denn die Manifeste sind kein Geheimnis, das nur im Unterforum der Larpgruppe auf ihrer Gratishomepage besprochen wird. Die Manifeste sind die sich selber gegebenen Schranken im Sinne des Charakter – Kryptonits.

Nach dem Drachenfest als Ceride gehe ich jetzt ans Epic Empires: Mit meinem Teppich in die Santa-Clara-Vorstadt, um dort nach allen Regeln der Kunst ein guter Ceride zu sein.

Anhang: Kleines Manual des wahren Glaubens Weil die NL-Page und das Ceridenwiki schon lange down sind. Damit lernt man viel, wenn man sich dann auch noch einen ceridischen Priester auf Platz zutut, wirds was werden. Und zwar mit einer nicht ganz üblichen, aber dichten und atmosphärischen Spielreligion.

Das Regelwerk ist die Spielgrundlage

Das ist der Versuch eines provokanten Titels! Misslungen oder gelungen?

Letzthin ist mir mal wieder jemand verkommen, der mir in einer Diskussion zum Conquest of Mythodea klar gesagt hat: “Tödesstösse dort kannste eh ignorieren.” In ihrem eigenen Intresse sei die Person namenlos, ihre Aussage aber wollte ich eigentlich in der Luft zerreissen. Stattdessen wurde ein Blogartikel daraus.

Ich bin selber Organisator, und hatte somit auch schon den Spass, mit “eigenartigen Fragen” zu meinem Hausregelwerk konfrontiert zu werden. Aber noch nie hat mir jemand gesagt, er werde das Regelwerk meiner Veranstaltung ignorieren. Ist es nicht eine Unverschämtheit, wenn man sich an ein Spiel begibt, um dort die Regeln nicht zu achten? Ich spare mir “Mensch-ärgere-dich-nicht”-Vergleiche, aber sie schieben sich unerwünscht in den Vordergrund. Was soll der Blödsinn? Wie kommen Spieler dazu, sich bewusst oder unbewusst dazu zu entscheiden, die Regeln des Anlasses zu missachten?

Ich versuche einmal zu beleuchten, warum ich der Meinung bin, dass ein Regelwerk zu einem guten Larp™ dazugehört. Immer mal wieder sehe ich an Spielen erstaunte Gesichter, wenn ich vehement darauf beharre, das ein Regelwerk wichtig sei.

Wie spielen wir? Was machen wir da überhaupt?

Nur mit Helm!
Nur mit Helm!
Ein Rollenspiel als Spiel folgt gewissen Regeln. Ein Liverollenspiel ist (fast) immer ein reglementiertes Rollenspiel, ob es ein Regelwerk hat oder nicht. Denn bereits durch die gängige Ausschreibung wird ein Rahmen festgelegt. In diesem Rahmen wird aber dann oftmals in einer undurchsichtigen Mischung der Ideen und Verhaltensweisen des Veranstalters, der Mitspieler und der Spielidee (Ausschreibung, Requisiten, Ideen, Verhaltensweisen) etwas gebildet, was die Grundlage des Spieles sein kann. Klingt mühsamer als es ist, meistens klappt das ganz gut – geübte Spieler gehen mit Logikbrüchen oder Unsicherheiten problemlos um. Leider endet diese Harmonie in dem Moment, an dem ein Mitspieler die gegnerische Schildreihe umrennt. Oder wenn er jemandem vertikal von oben auf den Kopf haut. Oder mit einer sonstigen kontroversen Handlung. Grund: Hat das Spiel keine Regeln, also kein Regelwerk, so bringen die Mitspieler Vorwissen mit. Einige haben das Vorwissen als Erfahrung vergangener Spiele oder aus ihrer bevorzugten Spielumgebung. Andere aus dem Internet, irgendwo zwischen Zwei-Regeln und Phönix, zwischen dem Forum des “Conquest of Mythodea” und den Kommentaren aus dem larpkalender.ch. Und einige denken sich auch: “Ich bin kein Anfänger mehr, ich muss da nichts nachgucken.” Der gemeinsame Nenner aller dieser mitgebrachten Ideen bildet dann das Spielfundament. Doch das ist nicht unbedingt kompatibel mit dem Plot, mit organisatorischen oder sicherheitstechnischen Regeln, oder gar mit den Mitspielern.

Ein Beispiel, ganz aktuell: “Dragonien II“. Zwischen NSC und SC gab es Differenzen, wie die Treffer in Kämpfen ausgespielt werden sollen. Während und nach dem Spiel haben einige NSC das Gespräch gesucht, leider nicht ohne sich zuvor geärgert zu haben, “warum der da soviel aushält…” Grundlage der Kämpfe war mehr oder weniger die oben beschriebene Mischung, jeder brachte seine Vorstellung mit. Und die Unterschiede waren zu gross, als dass das Spiel reibungslos ablaufen konnte.

Deshalb bildet ein Regelwerk eine gemeinsame Basis eines Liverollenspiels. Das Regelwerk verhindert oder erlaubt kontroverse Dinge, es sorgt dafür dass ich entweder selber entscheiden kann wie ich reagiere oder es sorgt für (m)eine festgelegte Reaktion. Damit meine ich keinesfalls eine punktebasierte Variante, sondern schlicht und einfach das Notieren der Dinge, “die ja alle Wissen“. Das Regelwerk legt Spielmechanismen fest, beispielsweise: “Klebeband-Kreuz auf einer Tür bedeutet, die Tür ist nicht vorhanden.”, “Der Anwender wirft einen Softball auf ein Ziel”, für magische Geschosse (So aus dem DF-Regelwerk zitiert). Das Regelwerk bietet unter anderem klare Ansagen, wann jemand ausserhalb des Spieles ist, wie sportlich oder theatrealisch gekämpft wird, es kann Richtlinien für die Dauer einer Wunde oder für alchemistischem Schnickschnack bieten. Das Regelwerk erlaubt oder verbietet das Hauen auf Helme, das Stechen, den Ringkampf oder das Umrennen (“Chargen”) der Mitspieler. Es bietet für eine Vielzahl alltäglicher Spielsituationen eine Stütze oder eine Grundlage.

Das Regelwerk nimmt einen Teil der Diskussionen vorweg und ist eines der stilgebenden Elemente eines Orgateams oder einer Kampagne!

Zwei Anhänge dazu:

Kaputtgemacht? Was ein Regelwerk hingegen wieder ad absurdum führt: Die Formulierung “Gutes Spiel”. Solange kein Konsens besteht, was gutes Spiel ausmacht, ist das unsauber gelöst. Mein liebstes Beispiel nennt sich “Todesstoss”. Wenn im Regelwerk ein Todesstoss vorhanden ist, dann gehört er zum Spiel, und keine noch so lustige oder sinnvolle Begründung redet ihn besser oder schlechter. Wenn eine derartige Regel im Regelwerk ist, dann darf oder soll sie genutzt werden. Denn wenn es üblich ist, das Regelwerk wieder subjektiv und nach Laune auszulegen, sind wir wieder am Anfang… Und eine Regelfunktion, ein “Spielmechanismus” sollte für jeden nutzbar sein. Ohne Konsequenzen wegen “unschönem Spiel” oder ähnlich subjektivem Schmarrn!

Unsinn? Ja, der Artikel beinhaltet konstruierten Unsinn. Trotzdem werden sich einige darin wiederfinden. Und nach dem ersten Anhang könnte man meinen, ich sei dogmatisch was Regelwerke angeht. Ich glaube aber an das Spiel miteinander, ich bin der festen Überzeugung dass zwei Spieler sich neben dem Regelwerk auch zu Aktionen treffen können, welche das Regelwerk eigentlich verbietet – denn “Gutes Spiel” sollte meiner Meinung nach ersetzt werden können durch: “Nach Absprache”. Denn was zwei Erwachsene ausmachen und Spass daran haben, soll ihnen niemand verbieten.

Gedanken zur Opferregel

“Cendara 1 – Licht und Schatten” – “Heldengeschichten 1 – Hoffnung und Zorn” – “Cendara 3 – Die dunkle Bedrohung” – “HHHH – Das Anderswelttreffen” – “Nordwind 2”. Was haben diese Spiele gemeinsam? Sie waren alle mit der Opferregel ausgeschrieben. Doch am Cendara 3 hatte ich eine merkwürdige Diskussion mit einem anderen NSC über genau diese Regelung, die mich ein Stück weit zum Nachdenken angeregt hat. “DKWDDK mit Opferregel” ist so salonfähig, dass es offensichtlich jeder einfach als Marke auf sein Spiel schreibt, ohne das sich Spieler damit auseinandersetzen.

Doch was heisst es eigentlich? Am ehesten verbindlich – aber keinesfalls absolut – ist die Definition aus dem Larpwiki:

Im engeren Sinne einfach die Regel, daß der Spieler selbst entscheiden darf, ob, wann und wie sein Charakter stirbt.

Im erweitereten Sinne eine Regelphilosophie, die vor allem in punktelosen Regelwerken Anwendung findet.
(…)

Ich nutze jetzt gleich die Situation vom Wochenende. Wenn ich mich recht entsinne, ging es darum, dass es jemand schade fand, dass ein Schnitt über die Kehle nicht durch den Tod des Charakters ausgespielt wird. Naja, lange Wartezeit lag schon hinter mir, und so habe ich direkt gekontert: “Solange das Spiel mit der Opferregel ausgeschrieben ist, entscheidet das der angegriffene Spieler.” Daraus entstand eine kurze Diskussion, im Laufe derer sich herauskristallisierte, dass die Erstaussage – dass es Schade sei – von einem kam, der vorrangig einen Assassinen als Charakter bespielt – der das nunmal im Kampf so handhabt. Bis jemand von der Seite einwarf: “Dein Charakterkonzept ist scheisse!”. Was ich übrigens auch fand, aber ab und an kann ich auch höflich sein und so etwas nicht sagen. Leider ist (Glücklicherweise?) die Diskussion daraufhin versandet. Aber bei mir blieben einige Gedanken hängen – warum war der Spieler da, und warum war ich am selben Anlass. Wie kommt es zu der Situation?

Ich bin der Überzeugung, dass jemand der Assassine/Meuchler als Charakter wählt, irgendwie das “Miteinander” des Liverollenspiels nicht verstanden hat. Und eigentlich glaube ich auch, dass eine Orga sich über solche Spieler Gedanken macht, und es somit gewünscht war, dass ebenso ein Charakter anwesend ist. Aber in dem Fall sollten sich – Opferregel vorrausgesetzt – Orga und entsprechende (Assassinen-)Spieler bewusst sein, auf was sie sich einlassen. Denn Opferregel erfordert auch Verantwortung des Handelnden. Ich halte es für bescheuert, wenn jemand Mitspieler in eine Situation bringt, in der eine verquer aufgefasstes “Das ist aber nur konsequentes Spiel” oder ein “Alles andere war (für meinen Charakter) unlogisch” sein Gegenüber zu etwas zwingt. Ob das den Samstag über krank zu spielen, abgestochen werden, oder auch nur fadenscheinig gerettet werden bedeutet.  Wer sich also an einem Spiel mit der Opferregel begibt, ist in der Verpflichtung, auch selber verantwortungsbewusst zu spielen. Deshalb auch an Organisatoren: Wenn ihr Opferregel draufschreibt, dann kann vieles drin sein. Damit Opferregel drin ist, braucht es etwas mehr.

Und wer Assassine spielt, ist selber schuld. 😉

Hinter verschlossenen Türen

Eine Kopie eines alten Beitrages im Riedhburgforum. Zufälligerweise wieder aktuell, deshalb noch einmal hier eingestellt.

 

Situation; Partei A (Spieler) will Partei B, (NSC in Festrolle*), im Laufe des Samstagmittags engültig wegmachen. Denn die Partei B hat, wie von der Orga verlangt, die ganze Zeit Aggressionen gezeigt, angegriffen, Leute überfallen und Verletzungen verursacht. Partei A (Spieler) legt sich einen Schlachtplan zurecht (“wir gehen hin und hauen alle um”), und rüstet auf.

Doch bei der eigentlichen Kampfhandlung zieht sich die unterlegene Partei B (NSCs) in ein Haus zurück. Dort machen sie die Türe zu, und schieben einen Tisch hintendran/Legen einen Sperriegel vor/drehen den Schlüssel.
Wenn der Kampf weitergehen sollte, würden die meisten Charaktere gerne das Haus anzünden, die Fenster einschlagen oder die Türe mit einer Axt zerschlagen. Gut genug bewaffnet ist man ja. Doch die Tür ist aus Holz, und die Axt aus Schaumstoff, und auch nach stundenlangem so-tun-als-ob brennt das Haus einfach nicht. (Von Drohungen “wir zünden die Hütte an” will ich gar nicht erst reden.)
Was jetzt? Wer macht hier den Fehler?

– Die Partei B (NSC) handelt logisch – die wenigsten Charaktere wollen gestorben werden. Auch NSCs machen das, meistens jedenfalls, nur auf Befehl der Spielleitung. Sie nutzen also das Haus als Schutz. Unbewusst wird wahrscheinlich das Problem “Fenster-einschlagen” und “anzünden” bedacht, aber da es ein eigener Vorteil ist, beiseitegeschoben.
– Die Partei A (SC) macht ebenfalls alles logisch. Die Tür ist komplett zu, also würde man das Haus anstecken. Selten kommt eine Autorität die den Sachschaden bedenkt, meistens heiligt der Zweck die Mittel.

An einem der vergangenen Spiele, an dem ich war, (Riedhburg XI), hat jemand -in eben oben beschriebener Situation – gerufen; “Lass die Tür offen, geschlossen machts niemandem Spass.” Letzhin war ebenfalls ein Spiel, in dem ich selber als NSC meinen Mitspielern geraten (befohlen?) habe, dass wir uns niemals einschliessen sollten – wir nehmen dem Gegenüber, dem Mitspieler seine einzige Möglichkeit. Das begründet sich darauf, dass ich zugunsten der Spielbarkeit gerne auf Realismus verzichte – schliesslich lasse ich mich auch von Gummiwaffen hauen, und tue so, als ob ich getroffen wäre…

Alles in allem hat sich an meiner Ansicht nichts geändert. Das Verschliessen einer Tür im DKWDDK-Spielumfeld – oder ähnliche OT-Hindernisse  – sind spielschädigend, wenn es als plausible Gegenmassnahmen Telling erfordert.  Im Zweifelsfall ist es besser, eine Schwäche offenzulassen als die Mitspieler in eine solche Richtung zu drängen.

(Der Originaltext ist vom 18. Jänner 2010 im beinahetoten Riedhburgforum zu finden)