“intime” – Das Schweizer Larp-Magazin – Projekt gestorben?

Im Herbst 2016 ist das Projekt “intime – Das Schweizer Larp-Magazin” gestartet. Doch nach nur fünf Ausgaben scheint das Projekt am Ende. Vor ein paar Tagen kam eine Email, in der sich die Redaktion an die Abonnenten wendet: “Bis auf Weiteres werde das Projekt eingestellt” und “ob in Zukunft PDF-Download oder als Blog sei dahingestellt” sind die beiden zentralen Aussagen. Als Grund für den Stopp sind “private Gründe” angegeben.

InTimeMagazin - Alle Ausgaben
InTimeMagazin – Alle Ausgaben

Was bleibt?

Die fünf Ausgaben im Print kriegen wohl Sammlerwert. Als PDF sind sie auf jeden Fall auf der Homepage im Archiv noch verfügbar. Ich habe selber vier Mal einen Kolumnenbeitrag beigesteuert:

Kendra kommentiert
Kendra kommentiert

Ein fünfter Text zum Thema “Ungeheuerliches” ist apokryphisch geworden. Oder sowas in der Art.

Schade drum, ich fand es ganz cool, ein eigenes Magazin zu haben. An was es genau scheiterte, ist von aussen schwer zu sagen – aber auch die LarpZeit trägt sich vermutlich nicht selber (Auch das weiss ich nicht). Ob es als online-Magazin überlebt, lässt sich neben dem diskussions-bereichernden larper.ning, Facebook und den Teilzeithelden schwer sagen.

Aber: Danke für das Machen, Herstellen und Drucken: Ein Highlight der Schweizer Larpgeschichte.

Stickversuch Bayeux

Nachdem ich mich lange davor gedrückt habe: Hier der erste Versuch an einer Bayeux-Stickerei. Das Motiv ist simpel, ein Esel. Auslöser für das Projekt ist eine Tasche, die einmal eine Stickerei erhalten soll – ich aber ein Übungsstück brauchte:

 

Bayeux - Esel-Stickerei
Bayeux – Esel-Stickerei

 

Das Original ist etwa zwei cm länger, aber was solls – GIMP hat es für mich auf 8cm skaliert, weil mir das passend schien.

 

Esel (Teppich von Bayeux)
Esel (Teppich von Bayeux)

 

Das Garn meine Stickerei stammt von der Andra, deren nadelgebundenen Mützen ich ab und an trage. Aber das ist erst einmal der “Pilot”, bevor ich mich wirklich an ein Motiv setze. Ich bin einfach so stolz, dass ich es teilen muss….

Hnefatafl

Zwischenzeitlich bastle ich ein paar Sachen:

Hnefatafl “quick&dirty”
  • Ein Stück Leinen, mit einem Stoffmalstift liniert. Ich habe halt nur Rot, Blau und Schwarz gehabt…
  • Ein Stück Hasel aus dem Wald. In Scheiben geschnitten und die Hälfte davon ‘ne Viertelstunde in Wasser-Acrylfarbe-Mischung gelegt und trocknen lassen.
  • Der Beutel aus den Resten der Rushose I

Das Spiel selber macht ziemlichen Spass, wir haben es in der “Fux&Haas”-Taverne gespielt. Allerdings waren die ersten Partien eher… lustig, weil andauernd Fehler passierten – diese wiederum je nachdem niemand sah&nutzte. Ich kann es sehr empfehlen: Es ist nicht modern, einfach herzustellen und eine Partie nach einer Viertelstunde durch.

“Grosse” und “mächtige” Larpländer

Das Kaiserreich Cendara hat, laut Homepage, rund fünfeinhalb Millionen Einwohner. Die meisten davon habe ich nie gesehen, denn in den paar Jahren von Cendaras Existenz habe ich zwar einige Spiele besucht, aber bestenfalls ein paar hundert Cendarianer gesehen. Die Zahl hat auch auf dem Spiel wenig Auswirkungen, bestenfalls wissen einige hochadelige Charaktere um die Macht hinter der Zahl.

Würden jetzt ein paar clevere Spieler in der Schweiz einen Gegenentwurf machen, und ein grösseres Reich erschaffen (Homepage aufschalten, hundertundelf Millionen Einwohner und “Militaristischer Nationalstaat” drauf schreiben), um sich aufzuplustern…. würde ich die Leute mit gutem Gewissen auslachen. Denn während die Einwohnerzahl Cendaras wenigstens einen Rahmen gibt, ist jeder Vergleich einfach lächerlich.

Was eine gute (!) Orga ausmacht, ist nicht die Fähigkeit, einen supertollen Hintergrund mit viel Macht darin zu schreiben: Es ist die Fähigkeit, Andere zu begeistern. Wenn der geschriebene Hintergrund so toll ist, dass mittel- und langfristig Leute mitmachen, ihre Spielercharaktere dort ansiedeln und dort sogar selber Spiele organisieren wollen (sozusagen die “Kür”), dann hat man sein Scherflein beigetragen. Egal, ob das Nachbarland auf der Karte viermal so gross erscheint.

Warum? Larp besteht aus Interaktion. Zwischen orgaseitig Arrangiertem und Charakteren und vor allem zwischen den Charakteren selber.  Je mehr geschieht – und zwar auf Con – desto grösser wird das Land. Der mächtigste Fürst ist nicht der mächtig geschriebene (“Ach, er war ein weiser und starker und mächtiger Fürst, über jeden Zweifel erhaben etc pp….”), sondern der, von dem die Charaktere reden. Das grösste Land ist das, von dem alle reden, weil sie daran teilhaben – nicht das, das “mehr Einwohner als Cendara” hat. In einem Satz: Charaktere sind grösser als das Land. 

Deutsches Larp – was ist das eigentlich?

Als vor ein paar Jahren langsam skandinavisches Gedankengut in unsere hübsche, kleine und saubere Larpwelt sickerte, da besuchten auch erste Spieler aus meinem Umfeld bewusst Spiele mit dem Label “Nordic Larp”. Seither ist der Einfluss und die Reichweite sowohl von Larp als auch von Nordic-Larp stetig gewachsen. Die Anzahl der Spieler hat ebenso zugenommen wie die Menge der angebotenen Cons. Immer wieder haben wir seither darüber geredet, was eigentlich Larp ist – und was es nicht ist. Denn Jens Scholz’ Vortrag: Larp und Social MediaDas deutsche Larp kommuniziert nicht ist nach wie vor aktuell – wenn auch aus meiner Sicht nicht mehr so akut wie vor vier Jahren.

In der Deutschschweiz haben wir im Rahmen der Contakt 2015 darüber philosophiert, was wir eigentlich machen. Und schon damals haben wir festgestellt, dass “Nordic Larp” – ob es als ” school of larp game design” oder als “movement” gesehen wird – sich auf der Suche nach einem Selbstbeschrieb gemacht hat. Die Suche dauert an, aber immerhin – es existiert eine Diskussion. Kurze Blicke auf den deutschen und den Schweizer Larpkalender machen aber deutlich: Mittlerweile können “Nordic Larp”-Spiele auch im Beschrieb von “anderem” abgetrennt werden. Aber was machen wir denn selber? Wenn man sich umhört, sind zwar einzelne Spiele immer mal wieder exakter beschrieben – aber es verbleibt eine undefinierte Restmenge (“JeKaMi”, “Feld-Wald-Wiesen-Fantasy” usw.). Was sind denn die Eigenschaften dieser, das Gross ausmachenden, Spiele? Hier ist ein Versuch, “das was wir machen” zu beschreiben.

Deutsches Larp ist auf zwei Ebenen Kampagnen-bezogen. Die zwei Ebenen sind die Mikro-Ebene, also der einzelne Spieler, und die Makro-Ebene, damit sind Spiele und Kampagnen gemeint. Die Mikroebene lässt sich am besten als Ego-Kampagne verstehen, die Makroebene als Spiele (Veranstaltungen), die aufeinander Bezug nehmen.

Ego-Kampagne: Der Zusammenhang, die Kohärenz der Geschichte, ist wichtiger als alles Andere. Deutsche Larper sind in der Lage, trotz Logikbrüchen und Charakter-Heimweh über Jahre in verschiedenen Arrangements, Hintergrund-Ländern und Kampagnen dieselben Charaktere zu bespielen. Der Umgang damit, dass sich gewisse Muster totlaufen, ist routiniert, denn den Charakter zu behalten ist wichtiger. Der Tod des Charakters wird vermieden oder stellt die Ausnahme dar. Ausrüstung, Kleider und Requisiten können für Charaktere zugelegt werden, deren Wert in die Tausende geht: Denn wird erwartet, dass dieser Charakter immer mal wieder bespielt werden wird. Jeder bespielt seine eigene Abenteuerreise, seine eigene Ego-Kampagne. Diese wird ausgebaut, passende Spiele werden für Charaktere gesucht, teils auch unpassende als Plattform für die Ego-Kampagne (miss-)braucht. Als Nickname im Internet oder als Rufname auf einem Con wird der Charaktername verwendet, und in manchem Ausdruck wird ein “ich” einfach als “natürlich IT gemeint” etikettiert. Der Charakter wird zu einem Alter Ego, manchmal mehr, manchmal weniger identisch mit dem Spieler.

Welt-Kampagne: Interessanterweise sieht deutsches Larp seine (Fantasy-)Spiele gerne als eine grosse Welt, der Kampagnen-Gedanke durchdringt die Veranstaltungen und Veranstalter. Spiele werden durchnummeriert, aber damit nicht etwa die Anzahl Durchgänge angegeben, sondern das Kapitel der Kampagne. Aufbauend auf vorangegangenen Spielen, wird eine Hintergrundwelt immer wieder benutzt, soll immer noch und wieder Anfänger-freundlich sein, aber durch Stil und Beibehalten von Details und Elementen auch Stammspieler immer wieder anziehen. In vielen Fällen existiert im Kopf der Spieler sogar ein einziges grosses Fantasy-Reich, in dem auch gerne bunt gemischt wird. Am deutlichsten sichtbar wird dies in der Optik, zwischen Kelten und Tschakos ist alles ein bisschen Fantasy (Kein Wunder wird das Exotische Standard). Ebenfalls deutliche Merkmale der Kampagne sind Verbindungen wie die Mittellande oder in der Schweiz die Cendara-Kampagne.

Was bedeutet das? Das System bietet eine Menge Vor- und Nachteile, vielleicht besser als Charakteristika zu sehen: Die Mikroebene erzeugt lange Geschichten für die Spieler. Jahrelange Freundschaften sind möglich, die Entwicklung eines Charakters und seine Neigungen können sich im Lauf der Zeit verändern und die Ausrüstung muss wesentlich länger in Gebrauch bleiben können – was ihre Qualität verbessert. An einem gespielten Wochenende auch einmal zurückhaltend auftreten ist kein Problem – die Geschichte endet ja nicht. Gleichzeitig aber finden sich nicht immer passende Spiele für einen Charakter, so dass dieser auch ab und an mässig passende Spiele besucht – und dort vielleicht als unpassend wahrgenommen wird. Arrangements, bei denen Charaktere tiefgründiges Erleben sind rar. Szenen, bei denen die Emotionen überhand nehmen – und sogar auf die Spieler durchschlagen – ergeben sich eher zufällig, wenn die für das ganze Spiel angedachte Geschichte wirklich gut zum anwesenden Charakter passt.

Die Makroebene ermöglicht wiederum richtig grosse, lange und epische Geschichten. Handlungsstränge können über Jahre gehen, mit gewissem Aufwand kann ein Veranstalter seine Stammspieler halten und erzeugt spielerische Stabilität. Ein Hintergrund kann auch sehr exotisch gestaltet werden, denn er hat Jahre Zeit, um zu wachsen und sich zu verbessern. Innerhalb der Kampagne können viele verschiedene Facetten bespielt werden, verschiedene Locations ausgenutzt und verschiedene Stile abgedeckt werden. Unter Umständen können sogar Vorgaben bei den an den Spielen zugelassenen Charakteren ganz eng gesetzt werden. Doch leider sind die Effekte nicht nur positiv. Eine lange Geschichte bedeutet auch viel Altlasten, die neueren Spielern selten gut zugänglich sind (Beispiel Mythodea, der Blog zeugt von Selbstreflektion). Auch Tikon hat ab und an Neigungen gezeigt, sehr alte Geschichten als aktuelle zu benutzten.

Dieser Kampagnen-Fokus durchzieht das Denken von Spielern und Organisatoren und erzeugt dadurch Zwänge, die als solche schlussendlich dem Spiel schaden (Beispiel: Das Dämonen-Bann-Ritual funktionierte nicht, weil es vom kanonischen Ritual abwich, dessen Existenz aber von Spielern/Charakteren gehütet wurde, die in Teil 6 aus der Kampagne ausgestiegen sind. Aus Sicht der Orga “konsequent, logisch”, aus Sicht der Bannenden: Besch… euert.)

Daraus ergeben sich für mich ein paar Konsequenzen:

  • Dokumentieren. Kampagnen brauchen Ablagen, Hinweise, Bibliotheken. Vielleicht sogar Homepages, auf denen die Spielergruppen nicht nur notiert sind, sondern mitgestalten können – Macht der Hintergrundorga geht an die Spieler.
  • Die Spielerschaft fluktiert. Entweder muss man Neuzugängen in der Kampagne besonders Hand bieten – nicht etwa, auf den “früher mal geschriebenen” Hintergrund verweisen, sondern auf das, was am Spiel tatsächlich passiert, wer anwesend ist und wer was zu sagen hat.
  • Die Spielerschaft fluktiert. Nicht jedes Spiel muss Anfänger-tauglich sein.
  • Kommunikation. Die Orga muss sich sorgen, dass ihre Spielerschaft entweder gut vernetzt wird, oder dass sie zentral arbeitet.
  • Wenn alles einen leichten Meta-Kampagnen-Ansatz beinhaltet, dann helfen einzelnen Orgas Spielstil-Beschriebe.

 

Was in dem Artikel dafür noch fehlt: Ein prägender Name. Ich bin für Vorschläge sehr offen.

Cendara im Recht

Im Kaiserreich Cendara gibt es viele nebeneinander erscheinende Spielweisen und Hintergründe. Doch es gibt auch einige Dinge, die – in-time – reichsweit Gültigkeit haben. Aus meiner Sicht sind sie zum einen der “kleinste gemeinsame Nenner”, aber auch die Grundlage und die Eckdaten des Möglichen. Sie profilieren das Kaiserreich und sie zeigen auf, wie sich die Spieler (oder die Kampagnenorga?) sich das Kaiserreich vorstellt. Ich möchte auf ein paar davon eingehen, in diesem Artikel auf das Rechtssystem: “CONSTITUTIO CRIMINALIS JULIANA”. Ich versuche herauszufinden, was es für mich als Spieler und für mein Spiel bedeuten kann.

Die Einleitung ist bereits deutlich: “Im Namen Pekars, in der Verantwortung gegenüber den Ständen und dem cendarischen Volk, soll das vorliegende juristische Werk die Rechtssprechung zum Wohle des Reiches festigen.” Das kaiserliche Recht spricht im Namen Pekars und erwähnt die Stände noch vor dem Volk. Aus meiner Sicht ist das ein Ausdruck einer feudal/ständebasierten Gesellschaft, der das Wohl des Reiches wichtiger als das Wohl des Einzelnen ist.

Erstes Kapitel: “Verschiedene Rechte“: Hier zeigt sich, dass das kaiserliche Recht über dem der Landesfürsten steht, ebenso dass nur die Kaiserin Sonderrechte vergeben kann. Im Namen der Kaiserin zu handeln steht nicht allen als Option zur Verfügung, sondern nur höherrangigen Adligen. Spannend: Landesfürsten handeln im Namen der Kaiserin, deren Urteil wiederum über dem Gesetz stehen kann.

Zweites Kapitel: “Gerichte, Gerichtsstätten und Verfahren”: Das sind vor allem Leib und Leben, aber auch das Reich bedrohende Handlungen. Für das Spiel ist hier die Rasse wichtig, denn nur Elfen, Zwergen und Menschen sind als Kläger erlaubt, Orks, Drows, Trolle, Werwölfe und Vampire sind ebenso wie Quaroniten davon ausgeschlossen. Weiterhin müssen Kläger von Adel oder mit gutem Leumund versehen sein. Da Liverollenspiel sich im “Miteinander spielen” ausdrückt, ist hier die Revision eines Urteils erwähnt. Besonders spannend hier ist m.E. wirklich der Adelsstand / gute Leumund.

Drittes Kapitel: “Religionsfreiheit (…)”: Chaosanhänger sind aktiv zu bekämpfen. Hier wird eine Straftat erwähnt, die aktives Handeln von Charakteren erfordert: Strafbar macht sich, wer Chaosanhänger nicht bekämpft. Daneben wird die Freiheit der Religion aber auch festgehalten – einzelne cendarische Länder können aber auch verbieten, dass Götter neben Pekar verehrt werden.

Viertes Kapitel: “Beweisfindung und Rechtssprechung”: Das Kapitel beinhaltet den für Fantasy-Larp wichtigen Punkt der Folter: Geständnisse, die unter der nicht verbotenen (!) Folter entstanden sind, sollen vor Gericht abgelehnt oder zumindest bezweifelt werden.

Fünftes Kapitel: “Von der Verhältnismässigkeit”: Hier wird dafür gesorgt, dass sich nichts der Kaiserin entzieht und dass Urteile auch in einem gewissen Verhältnis gesprochen werden. Damit wird das ganze Recht ein Stück weit fair(er) und ermöglicht auch, nachträglich oder rückwirkend das “Spiel mit Gesetzen” anzupassen.

 

Zwei Punkte dazu: Es schränkt ein. Es ist an einigen Stellen einfach, gegen das kaiserliche Gesetz zu verstossen oder es nicht zu beachten. Es mag sein, dass dadurch die persönliche Freiheit innerhalb des Spiels und innerhalb von Charakteren eingeschränkt wird. Aber Cendara muss nicht nur in-time das Kaiserreich voranstellen, es muss auch out-time eine gewisse Schnittmenge haben. Mit einer Gesetz, das Reibung ergibt, entstehen Spielmöglichkeiten. Ich wünsche mir ab und an etwas mehr Beachtung des Ganzen: Sowohl von Orgas, als auch von Spielern. Chaoscharaktere unterjubeln ist nicht spannend, sondern schlechter Geschmack. Zweiter Punkt: Man kann es ja ignorieren. Ja, kann man. Aber Cendara hat kein endgültig ausgearbeitetes Setting, es besteht immer viel Spielraum. Es wird aber “mehr Cendara”, wenn die bestehenden Elemente beachtet werden.