In meinen Liverollenspiel-Anfängen war die Geste für out-time schon beinahe universel: Vor der Brust überkreuzte Arme. Doch im Lauf der Jahre hat sich die in die Luft erhobene Faust ebenfalls etabliert, meines Wissens kommt sie aus dem Mythodea-Umfeld. Die Faust-Variante ist eine “Gute Idee” – gerade für NSC, die eher zwischen in- und out-time wechseln, ist sie sinnvoll. Viele andere “Gute Ideen” schaffen es aber nie in eine allgemeingültigen Konsens. Warum?
Von mir aus begründet sich das wie folgt:
Die Kernfamilie der Larpszene ist die (eigene) Larpgruppe. In ihr etablieren sich Spielstile und Ausrüstungsstandards, in ihr werden Probleme besprochen und mit ihr werden gemeinsam Spiele besucht. Nachwuchs wird in ihr gross gezogen, Regeln werden in ihr vereinbart und gebrochen. Manchmal wandelt sich die Kernfamilie zu einem Orgateam, optional zu einem Verein. Wichtig ist aber die primäre Zugehörigkeit der Mitglieder, die sich durch geschlossene Kommunikation und klare Abgrenzung auszeichnet. Ausserhalb der Familie wird nicht über Probleme gesprochen.
Die Orga (/Spielleitung) ist die Institution, die ganz oben steht. An einem Spiel, egal welcher Art, fällt sie sowohl im Vorfeld wie auf Platz die Entscheide. Das geht von der Menge Klopapier bis zur strategischen Ausrichtung des Plots, kein Entscheid wird angezweifelt. Mit der Rolle als Orga wird die Entscheidungsgewalt übernommen, mystischerweise auch die entsprechende Kompetenz erworben. Für ihr eigenes Spiel lässt sich die Orga nichts sagen, sie designt es komplett – oder mindestens bis zur Abreise am Sonntag – durch . Eine Menge “Gute Ideen” werden auf der Ebene entworfen.
Doch die wenigstens “Guten Ideen” setzen sich durch:
Wenn sie nicht bereits von sich abschottenden Larpgruppen für sich selber – keine Probleme ausserhalb der Kernfamilie – ausgehandelt werden, sind sie von einer Orga für ein Spiel entworfen und ringen innerhalb der dortigen Spielerschaft mit den Paradigmen der dort vertretenen Larpgruppen um Vorherrschaft. Nach dem Spiel versandet die “Gute Idee” wieder zwischen alten Homepages und versendeten Emails – denn keine Kampagne hat eine Reichweite wie Mythodea, die die “Gute Idee” einfach an genügend Spieler weitergeben kann. Und futsch ist die Sache, die nächste Orga soll und muss selber etwas entwerfen.
Wie kann man dem entgegentreten? Wie verhindert man, dass sich jede Orga neu erfinden muss? Auf Orga-Ebene, indem man “Gute Ideen” und durchgeführte Spiele analytisch betrachtet, notiert wie es lief und zur Verfügung stellt. Die “Nordic-Larp”-Szene schafft das offenbar besser als die deutschsprachige und weiss: Nur Erzählungen sind fehlerhaft und niemand kann kritischer zur Orga selber sein als die Orga zu sich. Weiterhin, indem man seinen Spielstil zu notieren versucht, statt ihn der Schnittmenge der anwesenden Spieler überlässt.
Auf einer persönlichen Ebene, indem man nicht nur eine Plattform für den eigenen Charakter sucht und bespielt, sondern sich auch bemüht, die Vorstellung einer Orga für das Spiel, umzusetzen.
Larp wird nicht besser oder spannender, wenn sich alles hinter verschlossenen Türen abspielt. Liebe Orgas, sagt den Leuten, was ihr wollt. Sonst endet es mit einem “Hauptsache, alle hatten Spass”. Das gilt aber nur, wenn es von Anfang an darum ging, ansonsten ist es kaum ein Feigenblatt.