Spielbericht: Sold und Leben

Ausgeschrieben als “Reenlarpment”, mit dem Titel “Sold und Leben”. Organisiert hat es die Karo, alleine über die Plattform larper.ning. Ausgeschrieben als Taverne in Nordhessen, in der sich allenfalls auch mal ein kaiserlicher Werber blicken lasse. Im März 1630, mitten in der Zeit, in der im deutschen Reich der Dreißigjährige Krieg tobt. Etwas genauer sind die Niederländer im Achtzigjährigen Krieg gegen die spanischen Habsburger, und im restlichen Reich ist Mitte 1629 der Dänisch-Niedersächsische Krieg mit dem Frieden von Lübeck zu Ende gegangen.

Für das Spiel gab es einige wenige Hinweise. Das Land ist gezeichnet vom Krieg, und ein Gutshof bei Trendelburg dient seit einiger Zeit als Dreh- und Angelpunkt für Kriegsvolk. Gerüchteweise macht “der Schwede” etwas, und Wallenstein sei entlassen. Dazu munkelt man, der Hof werde von einer Frau – im historischen Kontext ungewöhnlich – geführt.  Als das Spiel ausgeschrieben wurde, war ich zurückhaltend. Doch der äusserst vorsorgliche Jari hat mich angemeldet, mein Bett vorbereitet und… leider meine Ausrüstung vergessen. So dass ich zwei Wochen vor dem Spiel mit einer Hau-Ruck-Aktion den Zuckerbäcker Wiesendanger gebastelt habe, und ihn in der letzen Woche vor dem Spiel zum Kugelgiesser Wiesendanger umfunktioniert habe. Hin- und Rückreise (SBB nach Basel, Lufthansa nach Düsseldorf, Auto nach Trendelberg) war ebenfalls easy.

Dann kommt der erste Hammer:

Ein "Gutshof bei Trendelburg"

Eine traumhafte Location. Als Kulisse Fachwerkbauten, als Beizenlokalität ein Kellergewölbe und ein dachloser Raum- direkt an der Sonne. Wunderbar. Mauer, Bach hintendran… und auf Sichtweite nichts störendes. Unterkunft absolut in Ordnung, Einzelbetten im Massenschlag. Checkin, etwas Geld haben wir auch noch bekommen. Die Orga hat da extra was organisiert:

gulden-larp
SuL-Gulden

Nett, hübsch, passend. (Die Goldenen habe ich allerdings von einem Mitspieler.) Wird es noch einmal zu so einem Spiel kommen, wäre ich auch bereit, für ~xxSfr Originale/Replikas zu kaufen, so zwei-drei Stück, um diese dann für mich abzugiessen. Der Rest der Spielerschaft sieht gut aus – die Kleidung/Ausrüstung die sie mithaben ebenfalls. Top sieht auch die Oni aus, mit einem hellblauen Kleid aus Seidentaft. Strelitzen sehe ich, und irgendwo sitzt der Are, und näht die letzen Stiche an einem neuen Lederwams. Im Laufe des Freitags rutschen wir nach und nach ins Spiel, die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger. Als unbewaffneter Trossbub Heinrich Wiesendanger aus dem zwinglianischen Basel, zusammen mit meinem Bruder Hans-Peter Wiesendanger mache ich mir – da irgendwie der Trumpf “neutraler und unbewaffneter Schweizer” sticht, einige Leute zu Bekannten. Unter anderem der musketenlose Inigo aus Spanien, und einige Veteranen aus den Niederlanden. Im Laufe des Abends läuft es sich ein und dann auch schon wieder aus. Charaktere kennenlernen, Modalitäten anschnuppern. Ein sehr gutes Gespräch mit Kelmon, wenn auch bereits Out-Time. Dann ab ins Bett, schon leicht angesäuselt. Schlafen. Zum Glück hat kaum einer geschnarcht.

Aufstehen, waschen, frühstücken. Mit der resoluten – zumindest gegen aussen – Wirtin Mechthild den Deal ausgemacht, Holz zu hacken und dafür Feuer benutzen/machen zu dürfen. Rund anderthalb Stunden das Beilchen, das süsse, kleine, stumpfe und unnütze Ding durch Holz quälen, danach ein Feuer machen und die Kugelgiesserei in Betrieb nehmen. Als Gussform dient vorbereiteter Speckstein, als Material nahm ich Zinn. Das Geschäft läuft an, und gegen Mittag war die Gusspfanne kaputt und ein kaiserlicher Werber taucht auf. Top -wenn auch erwartet – und er hat Leute für zwei Gulden Handgeld angeworben. Der Hanspi Wiesendanger lässt sich anwerben, und zieht sich den Ärger seines Bruders zu. Leicht abstrakte religiöse Diskussionen, weil für mich der Klosterbruder, der aufgetaucht ist, keine Autorität besitzt. Danach rutscht es ein Stück weit zu einem Samstagabendsloch ab, das diverse Leute mit “Heiraten” füllen wollen. Schröcklich. Das hat mich ernsthaft genervt, das fand ich total daneben. Das ganze Gefühl eines historischen Settings hat bei mir stark gewackelt, als “Nottaufe” (Wtf!, wir sind alle getauft!) sämtliche reformiert-katholisch-orthodoxen Differenzen ausräumen sollte.

Der Punkt, den ich dem Spiel allerdings ankreide, ist der Mangel an “Liverollenspiel”. Es war einfach zuwenig los, dafür, dass es mehr als ein “1630er-Fan-Con” sein sollte. Die Charaktere waren angenehm, bodenständig. Besonders cool fand ich die Herren, die ich als “die von der Lightning” vom Hörensagen her kannte, als Veteranen. Abgewrackt, üble Geschichten erzählend. Auch die jüngeren, kriegerischen Knechte gefallen. Die Mechthild – die mir übrigens kostenlos Mittagessen an den Arbeitsplatz brachte! – und ihre Staffage. Alles war schön, so dass ich es erst im Nachhinein bemerkte: Es war zuwenig los.

Punkte, die da reinspielen, und ein Kommentar gleich dazu:

  • Unbekanntes Setting” –  Wird sich verbessern, wenn die Spieler wissen, was geht/ was nicht geht
  • Anything goes-Taverne” – Musste sein, um genug Leute für das Jahr 1630 zu begeistern
  • Zuwenig Konfliktpotential der Spieler – Man kannte die Folgen und Modalitäten dazu nicht
  • Wenig Events/Skripte/”Plot” vonseiten der Orga – wird sich wohl ändern
  • Wenig Meta-Input der Spieler, also Dinge, die für alle von Belang sein könnten – Kein Kommentar, sowas kann sein.

Fazit daraus: Reenlarpment hat seine Tücken, aber auch seine Reize. Einige Gedanken dazu schwirren mir im Kopf rum, müssen aber noch genauer ausformuliert werden. Und das Wochenende hat sich absolut gelohnt – die Liste mit Kritik hier am Schluss ist ja eher klein. Und wäre mehr kriegerisches passiert, wäre sicher dieses alberne “Jmd muss heiraten”-Geschwätz nicht aufgetaucht.

Sonntags dann noch ausgedehnt gefrühstückt, und dann über die Anreisestrecke wieder nach Hause.  So, und hier noch einige wenige Links zum Thema:

Ich hoffe auf ein zweites Spiel im Setting, bei dem es doch noch mehr zu tun gibt, als die Option “anwerben, ja oder nein” zu wählen. Und ich werde wenn es irgendwie machbar ist, dahingehen.

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