Nach dem ersten Teil gibt es heute Gedanken zum Umgang und -lauf des Spielgeldes. Zuerst einige Grundregeln: Was ist Geld? Wikipedia meint lapidar: “Geld ist jedes allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel.” Selbes lässt sich auch für Liverollenspiel meinen, mit Geld (Silber, Münzen, usw.) meinen die Spieler ein “Tausch- und Zahlungsmittel”. Das sind üblicherweise Münzen-ähnliche Gegenstände aus Metall. Ebenso üblicherweise entstammt dieses Geld einem komplexem Kreislauf, bei dem Arbeit, Dienstleistungen, Bezahlung und Bedürfnisse zusammenspielen. Für Liverollenspiel schränkt sich das allerdings ein, denn beispielsweise Grundbedürfnisse werden üblicherweise nicht über Spielgeld abgegolten. Ebenso findet ein Teil des Geldkreislaufes ausserhalb des Spiels statt, deshalb ein Abriss des Ganzen:
Woher stammt das Spielgeld? Zwei übliche Quellen sind mir bekannt: Die Spieler statten ihre Charaktere mit Geld aus oder die Orga stattet das Spiel mit Geld aus. Zweiteres ist beispielsweise am Drachenfest üblich, drei Kupfer pro Charakter – Checkin. Alternativ kaufen die Spieler es zu, beispielsweise bei McOnis Handelskontor oder durch eigenen Zinnguss.
Was ist es wert? Zwei Varianten: Die erste sind Listen, auf denen der Ersteller des Hintergrundes angibt, wie er sich seine Welt vorstellt, beispielsweise bei der Cendara-Kampagne. Die zweite Variante ist der Praxis näher “Jedes Ding ist wert, was der Käufer dafür zahlen will”. Das bedeutet aber auch, dass eine spielerische Schnittmenge zwischen Käufer und Verkäufer entstehen muss, die – wie anfangs angesprochen – der Ware Wert zumisst. Am häufigsten sind mir bisher Mischformen beider Varianten begegnet.
Was ist der Zweck von Spielgeld? Erstens natürlich soll es als Wert-Gegenstand, als Handelsware dienen. Zweitens, und das ist der wichtigere Punkt: Spielgeld soll das Spiel bereichern. Es dient als Artefakt, das der Erzeugen eines Spielangebotes hilft dienen, es soll als Stütze der Interaktion zwischen zwei Spielern bereichernd sein. Beispielsweise: “Wenn du mir hilfst, die drei Diebe zu entlarven, gibt’s drei Silberstücke. Na, interessiert?”
Wo geht es nach der Beschaffung hin? Idealerweise: Es wandert während der klassischen Wochenendveranstaltung von reichen Charakteren zu armen Charakteren. Es ist die Spende für Bettler, der Kauf von Keksen, die Bestechung von Wächtern usw. und dient dabei als Requisit für Rollenspiel. Dummerweise schwindet die Geldmenge aber ständig:
- Während sich die elegante Lösung, dass man sowohl arme als auch reiche Charaktere spielt und sich somit querfinanziert, aufdrängt, bespielen aber nicht alle reiche und arme Charaktere – Spielgeld bleibt zur “späteren Verwendung” zu Hause.
- Die Larpszene hat eine hohe Fluktation, vermutlich liegen in zahlreichen Haushalten von ehemaligen Spielern noch Spielgeldreste.
- Charaktere – und Spieler – planen voraus – man könnte ja noch Münzen später brauchen. Und so geht viel “potentielle Kaufkraft” am Spiel verloren, bis am Sonntagmorgen die drei Startmünzen in den Rucksack zur Heimreise wandern. Sie wurden schlussendlich doch nicht gebraucht.
- Bei der gleichmässigen, nicht charaktergebundenen Startgeldvergabe bekamen auch der Schamane und die beiden Elfen Startgeld. Es blieb unangerührt, weil das Charakterkonzept kein Geld vorsah. Und weg sind’s…
- Die Münzen waren richtig cool: Ein Teil der Spieler hat welche als Erinnerungsstücke eingepackt, gerade weil die Orga betonte, “man habe nur knapp hundert Stück gemacht!”
- Ein Spieler, der nur alle zwei Jahre auf ein Spiel fährt, hat einen Grossteil erspielt. Der Charakter, obschon unbespielt, bleibt anderthalb Jahre lang reich… und alle anderen in der generischen Spielwelt Agierenden haben die Münzen nicht zur Verfügung.
Warum ich trotzdem darüber schreibe? Trotz all dieser Punkte steckt im Hinterkopf manch einer Orga und mancher Spieler eine kompletter Wirtschaftskreislauf: Verdienst, Kapital, Arbeit… je nach Wissenstand bunt gemischt mit historischem Wissen und schnell einmal sind vier Asse der Grundlohn des Landsknechts. Deshalb, hier noch einmal klar gesagt: Es gibt auf einem Liverollenspiel keinen kompletten Wirtschaftskreislauf, es können bestenfalls Teile simuliert werden. Und hier ist die Orga in der Pflicht: Sie kann die Geldmenge auf genau eine wirksame Weise beeinflussen und zwar durch das Ausschütten von mehr Geld. Münzensammler, knappes Startgeld, Zurückhalten von Ausgaben und langfristig abwesende Spieler – alles kein Problem, die dem Spiel zur Verfügung stehende Menge an Münzen bleibt hoch genug. Denn der Zweck des Spielgeldes darf nebst all seinen interessanten Zusatzfunktionen nicht untergehen: Es soll Spielsituationen erzeugen helfen.
Daraus mache ich zwei Aussagen: Als Spieler sollte ich mit meinem Spielgeld auch spielen: Ausgeben! Konjunktur ankurbeln, etwas bewirken! Spielgeld erzeugt keine spielerische Handlung – als deren Stütze es dienen sollte – wenn es im Geldbeutel liegt, sondern dann, wenn es als Gegenwert für etwas gehandelt wird. Zweitens, als Orga sollte ich mein Spiel mit viel Geld ausstatten, denn nur wenn die üblichen Ablaufkanäle, in denen das Spielgeld zwangsläufig versickert, gesättigt sind, verbleibt genug um dem Zweck zu dienen. Kurz und knapp: Viel Geld und grosszügiges Ausgeben ist das Ergebnis der Beschäftigung mit dem Kreislauf des Spielgeldes.