Das Regelwerk ist die Spielgrundlage

Das ist der Versuch eines provokanten Titels! Misslungen oder gelungen?

Letzthin ist mir mal wieder jemand verkommen, der mir in einer Diskussion zum Conquest of Mythodea klar gesagt hat: “Tödesstösse dort kannste eh ignorieren.” In ihrem eigenen Intresse sei die Person namenlos, ihre Aussage aber wollte ich eigentlich in der Luft zerreissen. Stattdessen wurde ein Blogartikel daraus.

Ich bin selber Organisator, und hatte somit auch schon den Spass, mit “eigenartigen Fragen” zu meinem Hausregelwerk konfrontiert zu werden. Aber noch nie hat mir jemand gesagt, er werde das Regelwerk meiner Veranstaltung ignorieren. Ist es nicht eine Unverschämtheit, wenn man sich an ein Spiel begibt, um dort die Regeln nicht zu achten? Ich spare mir “Mensch-ärgere-dich-nicht”-Vergleiche, aber sie schieben sich unerwünscht in den Vordergrund. Was soll der Blödsinn? Wie kommen Spieler dazu, sich bewusst oder unbewusst dazu zu entscheiden, die Regeln des Anlasses zu missachten?

Ich versuche einmal zu beleuchten, warum ich der Meinung bin, dass ein Regelwerk zu einem guten Larp™ dazugehört. Immer mal wieder sehe ich an Spielen erstaunte Gesichter, wenn ich vehement darauf beharre, das ein Regelwerk wichtig sei.

Wie spielen wir? Was machen wir da überhaupt?

Nur mit Helm!
Nur mit Helm!
Ein Rollenspiel als Spiel folgt gewissen Regeln. Ein Liverollenspiel ist (fast) immer ein reglementiertes Rollenspiel, ob es ein Regelwerk hat oder nicht. Denn bereits durch die gängige Ausschreibung wird ein Rahmen festgelegt. In diesem Rahmen wird aber dann oftmals in einer undurchsichtigen Mischung der Ideen und Verhaltensweisen des Veranstalters, der Mitspieler und der Spielidee (Ausschreibung, Requisiten, Ideen, Verhaltensweisen) etwas gebildet, was die Grundlage des Spieles sein kann. Klingt mühsamer als es ist, meistens klappt das ganz gut – geübte Spieler gehen mit Logikbrüchen oder Unsicherheiten problemlos um. Leider endet diese Harmonie in dem Moment, an dem ein Mitspieler die gegnerische Schildreihe umrennt. Oder wenn er jemandem vertikal von oben auf den Kopf haut. Oder mit einer sonstigen kontroversen Handlung. Grund: Hat das Spiel keine Regeln, also kein Regelwerk, so bringen die Mitspieler Vorwissen mit. Einige haben das Vorwissen als Erfahrung vergangener Spiele oder aus ihrer bevorzugten Spielumgebung. Andere aus dem Internet, irgendwo zwischen Zwei-Regeln und Phönix, zwischen dem Forum des “Conquest of Mythodea” und den Kommentaren aus dem larpkalender.ch. Und einige denken sich auch: “Ich bin kein Anfänger mehr, ich muss da nichts nachgucken.” Der gemeinsame Nenner aller dieser mitgebrachten Ideen bildet dann das Spielfundament. Doch das ist nicht unbedingt kompatibel mit dem Plot, mit organisatorischen oder sicherheitstechnischen Regeln, oder gar mit den Mitspielern.

Ein Beispiel, ganz aktuell: “Dragonien II“. Zwischen NSC und SC gab es Differenzen, wie die Treffer in Kämpfen ausgespielt werden sollen. Während und nach dem Spiel haben einige NSC das Gespräch gesucht, leider nicht ohne sich zuvor geärgert zu haben, “warum der da soviel aushält…” Grundlage der Kämpfe war mehr oder weniger die oben beschriebene Mischung, jeder brachte seine Vorstellung mit. Und die Unterschiede waren zu gross, als dass das Spiel reibungslos ablaufen konnte.

Deshalb bildet ein Regelwerk eine gemeinsame Basis eines Liverollenspiels. Das Regelwerk verhindert oder erlaubt kontroverse Dinge, es sorgt dafür dass ich entweder selber entscheiden kann wie ich reagiere oder es sorgt für (m)eine festgelegte Reaktion. Damit meine ich keinesfalls eine punktebasierte Variante, sondern schlicht und einfach das Notieren der Dinge, “die ja alle Wissen“. Das Regelwerk legt Spielmechanismen fest, beispielsweise: “Klebeband-Kreuz auf einer Tür bedeutet, die Tür ist nicht vorhanden.”, “Der Anwender wirft einen Softball auf ein Ziel”, für magische Geschosse (So aus dem DF-Regelwerk zitiert). Das Regelwerk bietet unter anderem klare Ansagen, wann jemand ausserhalb des Spieles ist, wie sportlich oder theatrealisch gekämpft wird, es kann Richtlinien für die Dauer einer Wunde oder für alchemistischem Schnickschnack bieten. Das Regelwerk erlaubt oder verbietet das Hauen auf Helme, das Stechen, den Ringkampf oder das Umrennen (“Chargen”) der Mitspieler. Es bietet für eine Vielzahl alltäglicher Spielsituationen eine Stütze oder eine Grundlage.

Das Regelwerk nimmt einen Teil der Diskussionen vorweg und ist eines der stilgebenden Elemente eines Orgateams oder einer Kampagne!

Zwei Anhänge dazu:

Kaputtgemacht? Was ein Regelwerk hingegen wieder ad absurdum führt: Die Formulierung “Gutes Spiel”. Solange kein Konsens besteht, was gutes Spiel ausmacht, ist das unsauber gelöst. Mein liebstes Beispiel nennt sich “Todesstoss”. Wenn im Regelwerk ein Todesstoss vorhanden ist, dann gehört er zum Spiel, und keine noch so lustige oder sinnvolle Begründung redet ihn besser oder schlechter. Wenn eine derartige Regel im Regelwerk ist, dann darf oder soll sie genutzt werden. Denn wenn es üblich ist, das Regelwerk wieder subjektiv und nach Laune auszulegen, sind wir wieder am Anfang… Und eine Regelfunktion, ein “Spielmechanismus” sollte für jeden nutzbar sein. Ohne Konsequenzen wegen “unschönem Spiel” oder ähnlich subjektivem Schmarrn!

Unsinn? Ja, der Artikel beinhaltet konstruierten Unsinn. Trotzdem werden sich einige darin wiederfinden. Und nach dem ersten Anhang könnte man meinen, ich sei dogmatisch was Regelwerke angeht. Ich glaube aber an das Spiel miteinander, ich bin der festen Überzeugung dass zwei Spieler sich neben dem Regelwerk auch zu Aktionen treffen können, welche das Regelwerk eigentlich verbietet – denn “Gutes Spiel” sollte meiner Meinung nach ersetzt werden können durch: “Nach Absprache”. Denn was zwei Erwachsene ausmachen und Spass daran haben, soll ihnen niemand verbieten.

AGB – kurz&knapp gelästert

Man beachte – ich ziele hier auf die Situation in der Schweiz. Keine Ahnung, wie das in Österreich und Deutschland ist…

Aufgrund der mässig brauchbaren Diskussion im larpkalender.ch….

Was ist eigentlich der Sinn einer AGB für Liverollenspielorganisatoren? Ich zitiere kurz, nur als Beispiel, Sichelwald/Asgaroth (Die laut Felup dieselben sind, keine Ahnung). Quelle wäre: Asgaroth

Ich behaupte, dass der grösste Teil dieser AGB unnötig ist, ebenso dass der grösste Teil nur verstanden wird, wenn man sich bereits mit dem Hobby auskennt – oder gar anhanden persönlicher Bekanntschaft die Orga kennt und ihre Intention versteht. Und wenn man bereits vorhandenes Wissen braucht, dann wird es sehr subjektiv, was aus meiner Sicht nicht die Idee sein kann. (Siehe auch den letzen Absatz)

Ich nehme jetzt einfach die paar Punkte, die ich merkwürdig finde:

§11. Der Veranstalter behält sich vor, die Ausrüstung des Teilnehmers einer Sicherheitsüberprüfungzu unterziehen. Beanstandete Gegenstände dürfen im Spiel nicht weiter verwendet werden.Zuwiderhandlungen können zum Ausschluss ohne Rückerstattung des Teilnahmebetrags führen.

Soweit gut, der Einer (ich) lässt also seine Ausrüstung von einem Anderen (Orga) einer Sicherheitsprüfung unterziehen. Was genau welcher Prüfung unterzogen wird, bleibt im Dunkeln. Ich würde es begrüssen, wenn ich einen dezenten Hinweis bekommen täte, welche Sicherheit gewährleistet werden muss.

§12. Der Teilnehmer ist verpflichtet, seine Ausrüstung (insbesondere die von ihm verwendetenPolsterwaffen und Rüstungen) auf Spielsicherheit zu kontrollieren. Soweit sei denSicherheitsbestimmungen nicht oder nicht mehr entsprechen, hat er sie selbständig aus demGebrauch zu nehmen.

Gut, ich muss also nebst der evt. vorkommenden Prüfung des Organisators meine Ausrüstung – insbesondere Polsterwaffen und Rüstungen – selber prüfen. Dabei soll ich nach “Sicherheitsbestimmungen” vorgehen. Da muss ich entweder selber raten, oder was auch immer… würde ich jedenfalls Bambuskernstäbe verwenden (Was ich selber für okay, wenn auch für nicht ideal halte), und sie für okay befände, dann habe ich noch nicht gegen die Sicherheitsbestimmungen verstossen. Selbes gilt für die alten Bekannten: Stichspeere, Eigenbaupfeile, Bögen über 30pnds Zugstärke und wenn wir schon dabei sind; getapte Katanas. 😉 Solange die “Sicherheitsrichtlinien” nicht weiter vertieft sind, ist es für mich schwierig, sie zu befolgen.
Rüstungen ebenfalls – ich will doch wissen, was sicher ist und was nicht, ehe ich mich verletze. Oder ehe ich Andere verletze.

§4. Der Vertrag gilt erst dann als abgeschlossen, wenn der Teilnehmer das Anmeldeformularvollständig ausgefüllt und seinen Spielbeitrag bezahlt hat und dies von Seiten des VereinsAsgaroth bestätigt wurde.

Da bin ich unsicher. Ich habe mal gelernt, dass ein Vertrag abgeschlossen gilt, wenn beide Seiten ihr Einverständnis gegeben haben. Ich weiss nicht, ob man das ändern kann (Verträge mit Handwerkern gelten auf jeden Fall, auch wenn sie noch unbezahlt sind), aber mein ABU ist schon ne Weile her. Weiss da jemand mehr? Da habe ich echt keine Ahnung mehr.

§8. Mit dem Ausfüllen des Anmeldeformulars bestätigt der Teilnehmer, unter ausreichenderWürdigung der zu erwartenden körperlichen, geistigen und seelische Belastungen in der Lage zu sein,an der Veranstaltung teilzunehmen. Er ist sich der möglichen Verletzungsrisiken (wie Stürze imGelände oder Verletzungen während Kampfhandlungen) bei der Teilnahme an einem Live-Rollenspielbewusst.

Ich habe Höhenangst, etwas durchaus Gesellschaftsfähiges. Ich habe mit einigen bespielten Dingen keine Mühe, lehne aber bespielte Folter komplett ab. Bin ich jetzt damit der seelischen und geistigen Belastung gewachsen?

(Ich habe im larpkalender.ch ein ganz anderes Spiel gesehen, bei welchem man durchaus bei der Anmeldung angeben musste, was man ab kann und was nicht. Da wird gefragt, ob ich bspw mit – gespielter – “sexueller Gewalt”, “Darstellen eines homosexuellen Charakters”, “Dunkelheit” oder “Isolation” umgehen kann. Wahrscheinlich plant man gewisse Dinge, und will vermeiden dabei der Auslöser von OT-Problemen zu sein. In den von mir gezeigten AGB steht da nichts Konkretes – muss ich also mir das schlimmste Ausmalen, oder muss ich einfach auf Platz dann sagen: “Sorry, nicht mit mir” – und dabei gegen die AGB verstossen? Was genau will der Organisator da von mir?)

13. Dem Verein Asgaroth wird das Recht zugesprochen, den Charakter eines Spielers nacheigenem Ermessen endgültig sterben zu lassen

Der einzige Punkt, den ich persönlich für dumm halte. Erstens – der Organisator kann das tun, egal ob ich zustimme oder nicht. Fast immer ist er nämlich Hausherr, und kann mich beispielsweise einfach raus werfen, wenn ich nicht kusche. Zweitens – wenn ich als Spieler einen Charaktertod akzeptiere, dann kann ich den Charakter ohne Probleme einfach an einem anderen Spiel wieder spielen. Ausnahmen können sein, aber zur Not organisiert mein Bruder mir ein Con, wo wir die Wiederbelebung spielen. (Vielleicht reden wir auch nur davon, dass wir das getan hätten, fies wie wir sind). Ich hoffe, man merkt, was ich meine: Es gibt keine Kontrolle.

So, jetzt aber genug des Lästerns. Ich will damit eigentlich nicht dem Verein Asgaroth oder anderen an den Karren fahren, ich wüsste einfach gerne etwas genauer, was mir diese AGB für einen Rahmen geben. Denn ich habe das Gefühl, dass die AGB oftmals für fremde Spieler mehr gelten als für befreundete, ganz im Sinne des VierKlassenModells.

Zu guter Letzt: Ja, fast immer akzeptiere ich die AGB einfach, und gehe stillschweigend davon aus, dass sie eh nur nicht beachtetes Beiwerk sind. Ja, ich gebe zu, ich lese sie jedes Mal, weil mich die Details interessieren. Aber manchmal stelle ich mir auch Fragen, und das endet dann mit so einem Blogartikel.